Roboter, Avatare und Hologramme

„Inspirierend anders“, der Podcast von Luca Beutel, ging vor einiger Zeit in die Forschung. Für die letzten beiden Folgen hat der Mann mit dem Schnäuzer wieder einmal mit Prof. Dr. Oliver Bendel gesprochen. Der Technikphilosoph lebt in Zürich und arbeitet an mehreren Hochschulen der FHNW. Die eine Folge, ausgestrahlt seit dem 25. Dezember 2023, heißt „#212 IAF – Bist du bereit für die intelligente Vagina? So verändern Sexroboter dein Liebesleben“. Oliver Bendel stellt darin die Chancen und Risiken von Liebespuppen und Sexrobotern vor. Die Folge kann über Spotify gestreamt werden. Am 28. Dezember 2023 erschien die andere Folge mit dem Titel „#213 IAF – Was ein Robotikexperte darüber denkt, wie Avatare und Hologramme unsere Zukunft beherrschen werden“. Darin geht es u.a. um technische, ethische und ästhetische Fragen, die sich zu Avataren und Hologrammen stellen. Auch diese Folge kann u.a. über Spotify aufgerufen werden

Abb.: Ein von DALL-E 3 generiertes Robogirl

Sieht unheimlich echt aus!

Adrian Lobe stellte einige Fragen an Oliver Bendel, die sich auf Generative AI bezogen. Im Fokus waren KI-basierte Bildgeneratoren, die inzwischen fotorealistische Abbildungen erschaffen können. Solche legte der Journalist dem in Zürich lebenden Professor vor und wollte von ihm wissen, wie er diese Retortenmenschen aus ethischer Sicht bewertet. Die Antwort begann mit den folgenden Worten: „Es spricht zunächst nichts dagegen, mit Hilfe von KI-basierten Bildgeneratoren fiktive Frauen und Männer zu erschaffen, also Avatare oder Hologramme. Man schadet niemandem, wenn die Bilder auf dem Bildschirm oder in einem Gerät erscheinen. Problematischer sind Deep Fakes, die reale Personen teilweise oder gesamthaft abbilden. Sie können die Menschenwürde verletzen, vor allem bei sexuellen Darstellungen. Aus ästhetischer Sicht ist es interessant, Menschen auf die Welt zu bringen, die man selbst schön findet, die man aber weder in den Medien noch im Alltag antrifft. Es wird ein Mensch gemacht, hat Wagner in ‚Faust II‘ ausgerufen, als Mephistopheles zu ihm getreten ist. Allerdings war es nur ein kleiner Homunkulus. Nun kann man seinen Traum verwirklichen und eine realistische Figur nach seinen Wünschen kreieren. Das ist auch aus ethischer Sicht relevant – denn es kann zu einem guten, erfüllten Leben beitragen. Vielleicht werden einem bestimmte Wünsche auch erst klar. Man versteht besser, was man will und was man nicht will, was man schön findet und was nicht. Man lernt sich besser kennen und kann auch anderen mitteilen, was man will und schön findet. Nur werden sich nicht alle Wünsche erfüllen lassen. Und eine Partnerschaft ist auch kein Wunschkonzert.“ Es folgten durchaus kritische Anmerkungen zur Praxis des Bildergenerierens sowie weitere Antworten auf weitere Fragen. Einzelne Statements wurden in den Artikel „Sieht unheimlich echt aus!“ (auch: „Unheimlich echt!“) übernommen, der am 27. Februar 2023 in ca. 20 Schweizer Zeitungen erschienen ist, etwa in der Aargauer Zeitung, in der Luzerner Zeitung und im St. Galler Tagblatt, und auf den in der Folge etwa bei 20 Minuten Bezug genommen wurde.

Abb.: Goethe und Schiller

Die Doppelgänger von Agnetha und Co.

Bei Deutschlandfunk Kultur sprach am frühen Morgen des 27. Mai 2022 der Moderator Dieter Kassel mit Prof. Dr. Oliver Bendel über die ABBA-Show Voyage in London und die ABBAtare. Diese speziellen Avatare wurden mit hohem Aufwand generiert. Man hat Agnetha, Björn, Anni-Frid und Benny wochenlang ihre Songs vortragen lassen und dabei ihre Bewegungen beim Tanzen und ihre Emotionen beim Singen erfasst. Vor allem hat man Motion Capture verwendet. Die vier wurden in spezielle Ganzkörperanzüge gesteckt, auf denen Marker befestigt sind. Zudem wurde die Mimik aufgezeichnet, vor allem, um die Emotionen zeigen zu können. 160 Kameras haben von allen Seiten gefilmt. Die Gesichter wurden anschließend digital verjüngt. Und offensichtlich auch die Körper. Die Avatare werden direkt auf die Bühne projiziert. Man macht dies in diesem Fall mit Hilfe von Projektoren, Reflektoren und großen Flächen mit reflektierender Folie. Die Avatare sollten am Ende aussehen wie Hologramme, also eine Präsenz im Raum haben. Es ist in diesem Fall sozusagen keine physische Präsenz wie bei Robotern, sondern eine virtuelle. Wobei das nur die halbe Wahrheit ist, denn die Projektionsflächen sind physisch vorhanden. Man soll sie nur nicht sehen. In London tritt eine Band auf, die ABBA ist und doch nicht ABBA ist. Man könnte sogar sagen, dass die ABBAtare die Songs der Originale covern. Es handelt sich um Playback, aber die Avatare entwickeln ein Eigenleben. Björn hat dazu gesagt: „Ich sehe diesen jungen Typen auf dem Bildschirm und habe das Gefühl, der hat eine eigene Persönlichkeit. Das bin ich. Aber da ist auch noch etwas anderes.“ (Südkurier, 26. Mai 2022) Oliver Bendel veröffentlichte 2001 im „Lexikon der Wirtschaftsinformatik“ den Beitrag „Avatar“ und 2019 im Springer-Buch „AI Love You“ (2019) den Beitrag „Hologram Girl“ …

Abb.: Avatare erobern die Bühnen

Künstliche Wesen zwischen Ethik und Ästhetik

„Drohnen, Roboter, Avatare: Künstliche Wesen zwischen Ethik und Ästhetik“ – zu diesem Vortrag von Oliver Bendel haben die Studierenden Raffaela della Valle, Hadis Xheladini und Noémie Szenogrady einen Beitrag geschrieben, der am 5. Juni 2015 auf www.digitallernen.ch erschienen ist. Der Vortrag fand am 21. April 2015 im Rahmen der Vorlesung „Angewandte Linguistik“ von Prof. Dr. Christa Dürscheid am Deutschen Seminar der Universität Zürich statt und wurde von ca. 30 Personen besucht. Im Beitrag heißt es: „Drohnen, Roboter, Avatare – Was fasziniert uns Menschen an diesen künstlichen Wesen? Welche Bereicherung bieten sie für die Gesellschaft und welche allfälligen Gefahren bergen sie? Wie lässt sich eine Verbindung von Literatur und Technik denken? Die Verknüpfung dieser Fragen mit dem Fachbereich Germanistik wurde im Spannungsfeld von Ästhetik und Ethik evident. Mit seiner offenen und charismatischen Art führte der Experte für Maschinenethik und Autor von zahlreichen Handyromanen uns, Studierende und einige Gasthörer, in die Welt von künstlichen Kreaturen von der Antike bis heute ein.“