Maschinenethik an der Schweizer Börse

Heutige Roboter vermögen selbstständig Entscheidungen zu treffen, die erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen, in sozialer und moralischer Hinsicht. Die teilautonomen und autonomen Maschinen werden von sozialer Robotik und Maschinenethik gezähmt, dressiert und zivilisiert. Autos erkennen Menschen und Tiere und bremsen rechtzeitig vor ihnen ab. Industrieroboter bewegen sich mit schlafwandlerischer Sicherheit durch die Fabrikhallen und behandeln uns in Kooperationszellen wie rohe Eier. Pflegeroboter bringen uns Medikamente und betten uns um. Auch Computer an der Börse – Stichwort „Algorithmic Trading“ – wären ein möglicher Gegenstand für das „Moralisieren“. In seinem Vortrag an der wichtigsten unabhängigen Börse Europas (SIX Swiss Exchange) am 17. Februar 2016 ging Oliver Bendel – nach einem kurzen Blick in die Ideen- und Entwicklungsgeschichte – auf aktuelle Entwicklungen in Robotik und KI und auf die Disziplin der Maschinenethik ein und stellte einfache moralische Maschinen vor, mitsamt den annotierten Entscheidungsbäumen für ihre Umsetzung. Auch komplexe moralische Maschinen und mit ihnen zusammenhängende Dilemmata wurden erwähnt und veranschaulicht. Der Forscher plädierte zuletzt nicht nur für eine Erweiterung, sondern auch für eine Beschränkung der Maschinen.

Der Lügenbot kommt auf die Welt

An der Hochschule für Wirtschaft FHNW wird ab Frühjahr 2016 im Rahmen einer Abschlussarbeit ein Lügenbot entwickelt. Der betreuende Professor, Dr. Oliver Bendel, hat seit 2013 mehrere Artikel über Münchhausen-Maschinen und den Lügenbot publiziert, etwa „Wenn ein Chatbot zum Lügenbot wird“ (ICTkommunikation), „Können Maschinen lügen? Die Wahrheit über Münchhausen-Maschinen“ (Telepolis) und „Der Lügenbot und andere Münchhausen-Maschinen“ (MittelstandsWiki). In „Robots between the Devil and the Deep Blue Sea“ wurde zudem das sogenannte Lügenbot-Problem vorgestellt, als eines von vier Dilemmata. In den Beiträgen wurde stets die Sprachlichkeit des Lügens betont. Wer etwas sagen kann, so der Autor, und dabei eine gewisse Absicht verfolgt, der kann auch die Unwahrheit sagen. Man könnte also Lügenmaschinen bauen, die mit falschen Versprechungen locken, das Blaue vom Himmel erzählen – und uns letztlich verwundert und verunsichert zurücklassen. Das müssen auch Unternehmen berücksichtigen, und sie müssen etwas dafür tun, damit unser Vertrauen in die Maschinen gerechtfertigt ist. Der Student wird den Chatbot für zwei Szenarien realisieren, den Einsatz im Auftrag der Lebensmittel- und der Tourismusbranche. Bereits 2013 kam der GOODBOT als einfache moralische Maschine auf die Welt. Der Lügenbot könnte als einfache unmoralische Maschine bezeichnet werden, wobei Lügen natürlich nicht per se schlecht ist. Er ist interessant für die Maschinenethik als Gestaltungsdisziplin und für die Informationsethik als Reflexionsdisziplin. Über die Resultate des Projekts wird zur gegebenen Zeit auf maschinenethik.net informiert.

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Abb.: Wagt er es, mich anzulügen, der Bot?

Robots between the Devil and the Deep Blue Sea

„Robots between the Devil and the Deep Blue Sea“ lautet der Titel des Beitrags, der am 1. Dezember 2015 in der brasilianischen Zeitschrift Liinc em Revista erschienen ist. Oliver Bendel stellt klassische Dilemmata vor und überträgt sie ins Informationszeitalter. Insbesondere interessiert der Einsatz von Chatbots, Robotern, Drohnen und selbstständig fahrenden Autos, der immer wieder problembehaftet ist. Bei den Lösungsansätzen wird u.a. die Perspektive der Maschinenethik eingenommen. Es stellt sich heraus, dass klassische Dilemmata für die Herausforderungen der Gegenwart nützlich sind und dabei helfen, die Entscheidungsmöglichkeiten teilautonomer und autonomer Systeme zu diskutieren sowie Robotik, Künstliche Intelligenz und Informatik in dieser Frage zu sensibilisieren und ihre Ergebnisse und Erzeugnisse zu optimieren. Skizziert werden das „Roboterauto-Problem“, die „Parkbucht des Karneades“, „Buridans Robot“ und das „Lügenbot-Problem“. Der Beitrag kann über die Website der Zeitschrift kostenlos heruntergeladen werden.

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Abb.: Roboter können in Dilemmata geraten

Wen sollen das Auto und die Drohne töten?

Wen soll das autonome Auto töten? Darf es überhaupt töten? Wen soll die Drohne töten? Der Maschinenethiker Oliver Bendel befasst sich seit mehreren Jahren mit solchen Fragen. Bei watson.ch gibt es am 4. November alte und neue Antworten. Bendel spricht sich dafür aus, die Maschine nicht über Leben und Tod von Menschen entscheiden zu lassen. Dafür muss man das Roboterauto, wenn man es zulässt, in die Schranken weisen. Auf separaten Fahrspuren, zu bestimmten Uhrzeiten und mit reduzierter Geschwindigkeit entstehen weniger Unfälle und dadurch weniger Dilemmata. Zudem werden die Fahrzeuge für Skeptiker und Gegner berechenbarer, was ihrer Akzeptanz zuträglich ist. Überhaupt muss, so fordert Bendel, die Gesellschaft miteinbezogen werden. Am Rande wird auch auf Kampfroboter eingegangen. Der Maschinenethiker sagt dazu: „Ich habe zwar den Aufruf gegen Kampfroboter mitunterschrieben, aber ich muss zugeben, dass die Sache nicht ganz so schwarz-weiss ist, wie sie auf den ersten Blick scheint. Ein Kollege stellte schon vor einiger Zeit fest: Im Gegensatz zu Soldaten vergewaltigen Killerroboter nicht, sie brandschatzen nicht, sie plündern nicht. Sympathisch sind sie mir trotzdem nicht.“ (watson.ch, 4. November 2015) Der Beitrag kann über www.watson.ch/!106690026 aufgerufen werden.

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Abb.: An diesem Jagdflugzeug war noch nichts autonom

Superintelligence

„Superintelligence“ war das Thema eines Wochenendseminars für Studierende in Solothurn, gefördert und getragen von der Schweizerischen Studienstiftung. Am Freitag, 12. Juni 2015, reisten die 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ganzen Schweiz an. Noch am Abend sahen sie zusammen den Film „Ex Machina“ an. Am Samstag ging es zuerst um „Intelligence and Rationality“, dann um „Biological and Artificial Learning“ – in diesem Kontext hielt Dr. Frederike Petzschner von der ETH Zürich ihren Vortrag mit dem Titel „Neuroscience“. Man fuhr fort mit „State and Trends in Artificial Intelligence“ – Beitrag von Andreas Heinrich vom Dalle Molle Institute for Artificial Intelligence mit dem Titel „Artificial Neural Networks“ – und „AI Drives and Intelligence Explosion“. Am Sonntag dann „The Future of Evolution“ und „Philosophical and Ethical Considerations“. Zu letzterem Komplex war Prof. Dr. Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft FHNW eingeladen, der zum Thema „Dilemmata in der Informationsgesellschaft: Lösungsansätze aus Maschinenethik und Robotik“ sprach. Nach Ausführungen zur Ideen- und Entwicklungsgeschichte der künstlichen Kreatur und einer Einführung in soziale Robotik und Maschinenethik wurden klassische Dilemmata vorgestellt, die ins Informationszeitalter übertragen worden waren: Das Roboterauto-Problem, die Parkbucht des Karneades und Buridans Robot. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dankten allen Referentinnen und Referenten mit Applaus und einer lebhaften Diskussion. Weitere Infos zum Thema Superintelligence über www.superintelligence.ch.

KI

Abb.: Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch

Autonome Autos und Ethik

Im Folgenden eine Zusammenstellung von Beiträgen zu Fahrerassistenzsystemen und autonomen Autos aus Sicht der Maschinenethik und der Ethik im Allgemeinen. Die meisten sind online verfügbar. Ein Schwerpunkt sind automatische Bremsungen für Tiere und Menschen.

Bendel, Oliver. Die Parkbucht des Karneades: Viereinhalb Dilemmata der Robotik. In: inside-it.ch, 17. März 2015. Über http://www.inside-it.ch/articles/39531.

Bendel, Oliver. Die Maschinenstürmer des Informationszeitalters. In: ICTkommunikation (Online-Ausgabe), 5. März 2015. Über https://ictk.ch/inhalt/die-maschinenst%C3%BCrmer-des-informationszeitalters.

Bendel, Oliver. Überlegungen zur Disziplin der Tier-Maschine-Interaktion. In: gbs-schweiz.org, 14. Februar 2015. Über http://gbs-schweiz.org/blog/ueberlegungen-zur-disziplin-der-tier-maschine-interaktion/.

Bendel, Oliver. Neun Thesen zu autonomen Autos. In: ICTkommunikation (Online-Ausgabe), 6. Februar 2015. Über https://ictk.ch/inhalt/neun-thesen-zu-autonomen-autos.

Bendel, Oliver. Selbstständig fahrende Autos. Beitrag für das Gabler Wirtschaftslexikon. Gabler/Springer, Wiesbaden 2015. Über http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/selbststaendig-fahrende-autos.html.

Bendel, Oliver. Advanced Driver Assistance Systems and Animals. In: Künstliche Intelligenz, Volume 28, Issue 4 (2014). S. 263 – 269.

Bendel, Oliver. Wirtschaftliche und technische Implikationen der Maschinenethik. In: Die Betriebswirtschaft, 4/2014. S. 237 – 248.

Bendel, Oliver. Towards Machine Ethics. In: Technology Assessment and Policy Areas of Great Transitions. 1st PACITA Project Conference, March 13 – 15, 2013. Prague, Czech Republic. S. 321 – 326. Auch als PDF erhältlich.

Bendel, Oliver. Für wen bremst das Roboterauto? In: Computerworld.ch, 16. Mai 2014. Über http://www.computerworld.ch/marktanalysen/studien-analysen/artikel/.

Bendel, Oliver. Fahrerassistenzsysteme aus ethischer Sicht. In: Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 2/2014. S. 108 – 110.

Bendel, Oliver. Fahrerassistenzsystem. Beitrag für das Gabler Wirtschaftslexikon. Gabler/Springer, Wiesbaden 2014. Über http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/fahrerassistenzsystem.html.

Bendel, Oliver. Das Tier als Objekt der Moral der Maschine: Zum Verhältnis von Tier- und Maschinenethik. In: Telepolis, 2. Januar 2014. Über http://www.heise.de/tp/artikel/40/40684/.

Bendel, Oliver. Considerations about the Relationship between Animal and Machine Ethics. In: AI & SOCIETY, Dezember 2013 („Online-First“-Artikel auf SpringerLink).

Bendel, Oliver. Ich bremse auch für Tiere: Überlegungen zu einfachen moralischen Maschinen. In: inside-it.ch, 4. Dezember 2013. Über http://www.inside-it.ch/articles/34646.

Bendel, Oliver. Buridans Robot: Überlegungen zu maschinellen Dilemmata. In: Telepolis, 20. November 2013. Über http://www.heise.de/tp/artikel/40/40328/1.html.

Bendel, Oliver. Einfache moralische Maschinen. In: KMU Business World, 30. August 2013. Über http://www.kmu-businessworld.ch/de/content/einfache-moralische-maschinen.

Bendel, Oliver. Asimovs Automatobile: Selbstständig fahrende Autos in Fiktion und Realität und als Gegenstand der Maschinenethik. In: Telepolis, 27. August 2013. Über http://www.heise.de/tp/artikel/39/39728/1.html.

Bendel, Oliver. Über gute und böse Maschinen: Möglichkeiten und Grenzen der Maschinenethik. In: ICTkommunikation, 5/2013. S. 28 – 30. Auch als PDF erhältlich.

Bendel, Oliver. Die Moral der Maschinen: Überlegungen zur Maschinenethik. In: inside-it.ch, 24. Oktober 2012. Über http://www.inside-it.ch/articles/30517.

Bendel, Oliver. Maschinenethik. Beitrag für das Gabler Wirtschaftslexikon. Gabler/Springer, Wiesbaden 2012. Über http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/maschinenethik.html.

Beuth, Patrick. Wenn Software über Leben und Tod entscheidet. In: ZEIT ONLINE, 13. Mai 2014. Über http://www.zeit.de/digital/internet/2014-05/unfall-fahrerlose-autos-ethik.

Büchel, Stephanie. Wie viel Moral braucht eine Maschine? In: Liewo, 2. Juni 2013. S. 12. Auch als PDF erhältlich (mit freundlicher Genehmigung der Autorin).

Hevelke, Alexander; Nida-Rümelin, Julian. Responsibility for Crashes of Autonomous Vehicles: An Ethical Analysis. In: Science and Engineering Ethics, 11. Juni 2014.

Holzer, Holger. Das Autonomie-Dilemma: Wenn Maschinen über Menschenleben entscheiden. In: Focus, 28. Januar 2015. Über http://www.focus.de/auto/news/wenn-maschinen-ueber-menschenleben-entscheiden-das-autonomie-dilemma_id_4437354.html.

Kaeser, Eduard. Das „moralische“ Auto. In: NZZ.ch, 17. April 2014. Über http://www.nzz.ch/wissenschaft/uebersicht/das-moralische-auto-1.18284699.

Mertens, Frank. Kind oder Rentner: Für wen bremst das Roboterauto? In: Autogazette, 1. April 2015. Über http://www.autogazette.de/daimler/ethik/autonom/kind-oder-rentner-fuer-wen-bremst-das-roboterauto-512035.html.

Nüesch, Danja. Das Zähmen der Maschinen. In: Schweizer Radio und Fernsehen SRF, 17. November 2014. Über http://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/das-zaehmen-der-maschinen.

Rauch, Christian. Cloud am Steuer. In: GDI Impuls, 2/2014. S. 40 – 45. Auch als PDF erhältlich (mit freundlicher Genehmigung des Autors).

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Abb.: Ein modernes Auto

Viereinhalb Dilemmata der Robotik

„Die Parkbucht des Karneades“ lautet der Titel eines Beitrags von Oliver Bendel, erschienen am 17. März 2015 in der Zeitschrift inside-it.ch. „Viereinhalb Dilemmata der Robotik“, so der Untertitel, werden erfunden, auf der Grundlage klassischer Gedankenexperimente. Buridans Esel verwandelt sich in Buridans Robot, wie schon in einem früheren Artikel aus Telepolis. Das Trolley-Problem und das Fetter-Mann-Problem sind in der heutigen Zeit bzw. in der nahen Zukunft das Roboterauto-Problem. Das Brett des Karneades wird zur Rettung verheißenden Parkbucht, in die zwei Roboterautos gelangen wollen. Pech für sie, dass nur eines von ihnen Platz hat. Gegen Ende des Artikels heißt es: „Weitere Dilemmata warten darauf, ins 21. Jahrhundert transportiert zu werden, in die Welt der Softwareagenten und Serviceroboter, der militärischen Drohnen und autonomen Autos. Sie dürfen dem Werk antiker und moderner Philosophen entnommen werden sowie dem der Science-Fiction-Autoren, von Isaac Asimov und Stanisław Lem. Sie sind für diejenigen gedacht, die ihren Kopf gebrauchen und ihre Handlungen überprüfen wollen.“ Über www.inside-it.ch/post/die-parkbucht-des-karneades-20150317 kann man einen Anfang machen.